Queer as... Kritische Heteronormativitätsforschung aus kulturwissenschaftlicher Perspektive

Mittwoch 27.10.2010, 18 – 20 Uhr, A8 0-001 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Prof. Dr. Barbara Paul „Un-/Möglichkeiten queerer Politiken in Wissenschaft, Kunst und Alltag“

Der Eröffnungsvortrag thematisiert zunächst einschlägige Begrifflichkeiten und Vorstellungen rund um queer, Queer Studies und Normalismustheorien, um daran anknüpfend Verfahren und Effekte der Wissensproduktion, - rezeption und -verbreitung im Kontext von queer zu diskutieren. Dazu sollen ausgewählte Theoreme und Methoden der Queer Studies ebenso wie strukturell wichtige Prozesse verhandelt werden, die bei der bisherigen institutionellen Teil-Etablierung dieser neuen Forschungsrichtung (insbesondere im deutschsprachigen Raum) eine große Rolle spielten und spielen. In einem weiteren Schritt werden Beispiele aus Kunst und visueller Alltagskultur erörtert, womit die Perspektive meiner eigenen Disziplin, der Kunstwissenschaft, zum Tragen kommt. Mit Blick auf Möglichkeiten und Unmöglichkeiten ist abwägend zu fragen, inwiefern queer als visuelle politische Praxis fungieren kann. Von daher zielt dieser Beitrag wie auch die übrigen Beiträge der Veranstaltungsreihe auf queer als anti-normalisierendes, akademisches und politisches Projekt.

Prof. Dr. Barbara Paul
Professorin für Kunstgeschichte, mit dem Schwerpunkt Moderne und Gender, am Kulturwissenschaftlichen Institut der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und Stellvertretende Direktorin des ZFG - Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung. Arbeitsschwerpunkte: Kunst, Kunsttheorie und Kunstbetrieb des 18.-21. Jahrhunderts; Geschichte und Theorie der Kunstgeschichte; kunstwissenschaftliche Gender, Postcolonial und Queer Studies.
Veröffentlichungen: FormatWechsel. Kunst, populäre Medien und Gender-Politiken, Wien: Sonderzahl 2008 und Mehr(wert) queer. Visuelle Kultur, Kunst und Gender-Politiken, Bielefeld: transcript 2009, (Hg. mit Johanna Schaffer)

 


Mittwoch 10.11.2010, 18 – 20 Uhr, A8 0-001 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Dr. des. Nina Schuster „Queer spaces. Strategien und Praktiken queerer Raumproduktion"

Über queer spaces / queere Räume wird seit etwa fünfzehn Jahren besonders im anglo-amerikanischen und westeuropäischen Kontext diskutiert. Allerdings gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, was queere Räume ausmacht und wie sie zu beschreiben wären. Es erscheint daher zunächst hilfreich, das Konzept queer und das verwendete Raumkonzept zu klären. Zudem möchte ich die wissenschaftliche und politische Diskussion um queere Räume sozio-historisch und konzeptionell einordnen: Ohne die auch aktuell andauernde queer/feministische und emanzipationspolitische Vorarbeit der sozialen Bewegungen mehrerer Generationen und die damit einher gehende queer/feministische Theoriearbeit ist ein Konzept queerer Räume kaum vorstellbar. Schwerpunkt des vortrags ist das Aufwerfen neuer Fragen zur Un/Möglichkeit queerer Räume und deren sozialer Produktion auf materieller, interaktionsbezogener und diskursiver Ebene.

Dr. des. Nina Schuster

Soziologin, lehrt und forscht an der Technischen Universität Dortmund. Ihre Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte sind Raumtheorie, queere/feministische Theorien, Intersektionalität und soziale Ungleichheit sowie Qualitative Methoden empirischer Sozialforschung.

Publikation 2010: Andere Räume. Soziale Praktiken der Raumproduktion von Drag Kings und Transgender. Bd. 1 der Reihe "Queer Studies", Bielefeld: transcript 2010

 


Mittwoch 24.11.2010, 18 – 20 Uhr, A8 0-001 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Dr. Gabriele Dennert „Homoheiler und andere Normale. Eine queer-feministische Kritik des Diskurses um 'Konversionsversuche' an Lesben und Schwulen"

Konversions“therapien“ sind Versuche von Ärzt_innen, Therapeut_innen oder Seelsorger_innen, lesbisch und schwul lebenden Menschen zu einer heterosexuellen Lebensweise zu verhelfen. Öffentliche Aufmerksamkeit erfuhren in letzter Zeit insbesondere die Bestrebungen evangelikal-religiös Motivierter, Homosexualität zu „behandeln“. Als Gegenpol etabliert sich gerade eine u.a. vom Lesben- und Schwulenverband Deutschlands (LSVD) getragene Initiative, die (homo)sexuelle Orientierung für unveränderbar und Konversionsversuche mithin für sinnlos hält. Doch ist sexuelle Orientierung unveränderbar? Und vor allem: wen interessiert das? Das Zweigeschlechtersystem und die ihm immanente Heteronormierung wurden in feministischen und queeren Theorien als konstruiert kritisiert. Der Vortrag beschäftigt sich damit, wie queer-feministische Denkweisen und Kritik an Diskriminierung von „Homoheilern“ funktionalisiert werden, um die gesellschaftlich hegemoniale Heterosexualität zu stabilisieren – und wie Gegenstrategien in Gesellschaft und auf dem Gebiet der Medizin / Psychologie aussehen könnten. Als Diskussionsgrundlage gebe ich eine Einführung in Konversionsansätze und Homophobie bei christlichen Fundamentalisten und in der Mainstream-Psychologie/-Psychiatrie und deren Folgen für betroffene Lesben und Schwule.

Dr. Gabriele Dennert

Gesundheitswissenschaftlerin, promovierte Ärztin, freiberuflich selbständige Wissenschaftlerin (Institut für transdisziplinäre Gesundheitsforschung), Berlin, Mitherausgeberin des Bandes „In Bewegung bleiben. 100 Jahre Politik, Kultur und Geschichte von Lesben“ (mit Christiane Leidinger und Franziska Rauchut; Querverlag 2007) Administratorin von www.lesbengesundheit.de

 

Mittwoch 15.12.2010, 18:00 Uhr und 20:30 Uhr, Filmvorführung, cine k, Bahnhofsstraße 11, Oldenburg

18:00 Uhr   Working on it; Nobody passes perfectly

20:30 Uhr   Shortbus


Mittwoch 05.01.2011, 18 – 20 Uhr, A8 0-001 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Prof. Dr. Sabine Hark „Die Wahrheit des Geschlechts“

Unter dem ewig-gestrigen Titel „Der ewige Unterschied“, illustriert durch ein reizendes, gemischtgeschlechtliches Zwillingspaar in Rosa und Blau, die eine drapiert mit Puppe, der andere mit Roboter, teilt die deutsche Wochenzeitschrift DIE ZEIT am 28. 6. 2007 gleich auf der Titelseite und ohne weitere Umschweife und Umstände Folgendes mit: Mädchen bleiben Mädchen und Jungen Jungen! Und daran könne auch alle Erziehung nichts ändern. Alle erzieherischen Versuche, aus Mädchen und Jungen geschlechtsneutrale Wesen zu machen, seien gescheitert. Das sage im Übrigen auch „die Forschung“! Erziehung und Umwelt nämlich könnten nur gestalten, was ihnen die Natur vorgebe. Gegen Gene und Hormone jedenfalls könnten weder Eltern noch Werbung etwas ausrichten. Die Natur gibt also vor, was wir geschlechtlich werden können. Dieses Skript ist zwar in Maßen variabel; unsere Rollen als komplementär und zugleich kontradiktorisch aufeinander bezogene sind allerdings unausweichlich – und sie sind heteronormativ grundiert. Die Alltagstheorie der Zweigeschlechtlichkeit – dass es nämlich zwei und nur zwei Geschlechter gibt, dass diese zwei Geschlechter biologisch (natürlicherweise) gegeben sind und sich im Laufe eines Lebens niemals ändern, dass alle Personen ausnahmslos natürlicherweise einem Geschlecht angehören, dass schließlich die Genitalien als der objektive Beweis eines Geschlechts gelten und dass Heterosexualität als Regime der Regulierung von Geschlecht fungiert und zugleich der Sinn von Zweigeschlechtlichkeit ist –, ist das unbestrittene Maß aller Dinge und Verhältnisse. Der Vortrag geht den Verflechtungen zwischen alltagsweltlichem und wissenschaftlichem Geschlechterwissen nach und fragt, warum es – vielleicht gerade in Zeiten von Krisen aller Art – wichtig ist, das wir die „Wahrheit des Geschlechts“ kennen.

Prof. Dr. Sabine Hark

Soziologin, lehrt als Professorin an der TU Berlin am von ihr geleiteten Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung. Zentrale Punkte ihrer wissenschaftlichen Arbeit sind die Dekonstruktion lesbischer bzw. feministischer Identitäten und Identitätspolitiken in Anknüpfung an Theorien von Michel Foucault und Hannah Arendt sowie an die Queer Theory und den Poststrukturalismus.
Aktuelles Projekt: Feministische Perspektiven auf Prekarisierung: Ein „Aufstand auf der Ebene der Ontologie"? (zusammen mit Susanne Völker, Universität zu Köln)

 


Mittwoch 19.01.2010, 18 – 20 Uhr, A8 0-001 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Dipl.-Soz. Stephanie Nordt „Lebensformenpädagogik – Queere Ansätze in der Bildungsarbeit”

In der Veranstaltung werden theoretische und methodische Ansätze der Berliner Bildungseinrichtung KomBi – Kommunikation und Bildung vorgestellt. KomBi führt seit 1981 Bildungsveranstaltungen zum Thema gleichgeschlechtliche Lebensweisen durch und hat Mitte der 1990er Jahre mit der Lebensformenpädagogik ein Bildungskonzept entwickelt, das Antidiskriminierung, Gewaltprävention und emanzipatorische Sexualpädagogik mit Politischer Bildung zu Dominanzkultur und Menschenrechten verbindet. Das Konzept der Lebensformenpädagogik wird kontinuierlich weiter entwickelt und nimmt verschiedene Einflüsse aus Theorie und Praxis auf. Von besonderer Bedeutung sind Erkenntnisse der Genderstudies und der Queer Theory, die Pädagogik der Vielfalt und die dekonstruktive Pädagogik, aber auch praktische pädagogische Ansätze wie die Diversity Education oder das an der Amherst University entwickelte Teaching for Diversity and Social Justice. KomBi arbeitet seit 1996 unter seinem Motto „Vielfalt bereichert!“ mit einem menschenrechtsbezogenen Diversity-Ansatz und sensibilisiert gemäß dem europäischen Diskriminierungsverbot in Artikel 13 EGV für gesellschaftliche Vielfalt.

Dipl.-Soz. Stephanie Nordt

Sozialpädagogische Trainerin, Beraterin und Bildungsreferentin bei KomBi - Kommunikation und Bildung zu den Themen Diversity, Gender und Sexuelle Identität. Seit 2003 Gendertrainerin beim GenderForum Berlin.

Zusatzqualifikation: Postgraduales berufsqualifizierendes Zusatzstudium Gender-Kompetenz (Diploma Supplement Freie Universität Berlin 2005). Sie ist Mitverfasserin des 2006 veröffentlichten Gender-Manifests.

 


Mittwoch 26.01.2011, 20 Uhr, A 10 Hörsaal F Carl von Ossietzky Universität Oldenburg


Didine van der Platenvlotbrug und Blessless Mahoney „Neuronen, Mesonen und Matronen – Die Götter im Nacken des Unbewussten. Überschminkungen der Lebenswahrnehmungen: Willensfreiheit als Verwischung in der Unendlichkeit. Kurz: Die Bedeutung des Parallelwelt-Seins."

Die, auch musikalisch zu verstehende, Leitmotivik der Vorlesungen der Wissenschaftlerinnen hat in den letzten Jahren seit 1995 sich an den Deutungen der möglichen Wahrnehmungsmembranen versucht. Zum ersten Male machen nun Mahoney/van der Platenvlotbrug den transgenialen Schritt die Deutungshoheit hinter den eigenen intellektuellen Urknall zu verschieben und die Multi-Bran- Darlegungen der letzten Jahre bis an die Billionste Sekunde hinter den Urknall zu verschieben. Die Parabel, die die beiden Philosophinnen aufspannen, umfasst somit das Kleinste und das Größte: Mesonen und Matronen, Neuronen und Huronen. Dass die Konstruktion der Wirklichkeit nunmehr im Gewitter der isotopischen Verfallsraten untergehen muss, bleibt klar. Doch was kommt danach? Begleiten Sie die WissenschaftlerInnen bei der Suche.

Blessless Mahoney
Dekanin der Eberhardt-Anbau-Scheibenschwenkpflug-Universität, Brake an der Weser
Didine van der Platenvlotbrug
Pröpstin der Elsa-Sophia-von-Kamphoevener-Fernuniversität, Katzen-Ellenbogen

 

 

Mittwoch 02.02.2011, 18 - 20 Uhr, A8-001 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Josch Hoenes, M.A., „Das kulturelle Gewicht der Genitalien. Streifzüge
durch die Transgenital Landscapes von Del LaGraceVolcano“

„Genitals burry an enormous amount of cultural weight in the meanings that are attached to them, [...] I would argue that they constitute nearly 100 percent of what we, as both cultural members and as producer of cultural knowledge, come to understand Landscapes and assume about the body’s sex and gender“. Mit diesen Worten macht David Valentine darauf aufmerksam, dass Konfigurationen und Existenzweisen von Geschlecht, die genitale Gewissheiten in Frage stellen und/oder neu codieren, in der (queeren) Geschlechterforschung noch immer schlecht zu denken sind. Die Arbeit Transgenital Landscapes von Del LaGraceVolcano thematisiert diese Gewichte und eröffnet zugleich neue und alte – oft im Dunkeln gehaltene – Seh- und Wahrnehmungsweisen auf diese überdeterminierte Körperzone: In einem Wechselspiel von Farben, Licht und Schatten entstehen Oberflächen, Täler, Hügel, bizzare und phantastische Formen, die sich einer heteronormativen – letztlich um Penetrations- und Reproduktionsfähigkeit zentrierten - Logik von Geschlecht und Sexualität entziehen. Welche Gewichte und Genüsse bietet ein Streifzug durch diese Landschaften? Und was lässt sich hier alles entdecken? In meinem Vortrag möchte ich einige der Themen- und Fragestellungen, die hier aufgeworfen werden vorstellen und einen Blick auf Genitalien entwickeln, der vielleicht dazu beitragen kann, das enorme kulturelle Gewicht der Genitalien zu reduzieren.


Josch Hoenes, M.A., Studium der Ethnologie, Sozialpsychologie und Interkulturellen Kommunikation. Aufbaustudium "Kulturwissenschaftliche Geschlechterstudien", Lehrbeauftragter an der Hochschule der Künste Bremen und am Institut für Kunstwissenschaft an der Universität Bremen. Schwerpunkte der Forschung und Lehre in der queeren/trans* Geschlechterforschung, Kulturgeschichte, visuelle Politiken und KörperBildern.
Derzeit Arbeit an der Dissertation "Visuelle Politiken in Repräsentationen von Transmännlichkeiten" an der Carl von Ossietzky Universität oldenburg.

 

 

Mittwoch 22.06.2011, 18 – 20 Uhr, A5 0-056 Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Prof. Dr. Konstanze Plett  „Geschlechtsidentität als Grundrecht – auch
für zwischengeschlechtliche Menschen“

Bei Inkrafttreten des Grundgesetzes 1949 war unter Geschlecht im Recht überhaupt nichts jenseits der heteronormativen Matrix als zulässig vorstellbar. In dem Vortrag wird nachgezeichnet, wie diese verengte Sichtweise nach und nach aufgebrochen wurde, was dafür die gesellschaftlichen Bedingungen im Allgemeinen und die konkreten Anlässe im Einzelnen waren – und wo und warum es immer noch blinde Flecken in der Wahrnehmung gibt, die ein Verständnis von Geschlechtsidentität als wirklich allen Menschen zukommendes Grundrecht bislang verhindern. Damit werden zugleich Wechselwirkungen von Recht und Gesellschaft thematisiert.

Prof. Dr. Konstanze Plett, LL.M. (UWisc.-Madison),
Rechtswissenschaftlerin, forscht und lehrt an der Universität Bremen als Professorin für Rechtswissenschaften und Gender Law, u.a Mitglied des ZGS – Zentrum für Gender Studies der Universität Bremen und Vorstandsmitglied in der Sektion Rechtssoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie und der Vereinigung für Rechtssoziologie. Aktuelle Forschungsthemen: Konstruktion von Geschlecht durch Recht; Menschenrechte und sexuelle Identität.
Veröffentlichungen u.a.: 'Überlegungen zum Schutzgut des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung von Kindern'. In: Burkhardt, Sven / Graebsch, Christine / Pollähne, Helmut (Hrsg.), Korrespondenzen in Sachen: Strafvollzug, Rechtskulturen, Kriminalpolitik, Menschenrechte. Münster, Westfalen 2005
'Intersexuelle – gefangen zwischen Recht und Medizin'. In: Koher, Frauke / Pühl, Katharina (Hrsg.), Gewalt und Geschlecht: Konstruktionen, Positionen, Praxen. Opladen 2003

 

Infos zu den Vorträgen als PDF zum Download